Briefmarken-Handbuch
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Auflagen
Zu irgendeinem Zeitpunkt teilen die Herausgeber von Briefmarken mit, wieviel Stück davon gedruckt wurden. Das sind Informationen, die von der Philatelie mit Spannung erwartet - und natürlich ausgiebig interpretiert werden.
Briefmarken-Sammler neigen dabei dazu, in "niedrige" Auflagen Hoffnungen auf überproportionale Wertsteigerungen zu investieren - und hohe oder höchste Auflagen zu ignorieren. Beides kann falsch sein.
Denn die Auflagenhöhe hat nur bedingt mit der Wertentwicklung einer Marke zu tun. Ausschlaggebend für einen "Sammelwert", also den Wert, den eine Marke beim Verkauf durch den Sammler erzielt, ist einzig und allein Nachfrage und Angebot.
Besteht keine Nachfrage, entsteht nicht die Frage nach einem Wert.
Besteht Nachfrage und ein ausreichendes Angebot, wird ein eventuell Unkosten deckender Wert erreicht.
Besteht, wie bei den nicht mehr gültigen Marken ab etwa 1955 von Bund (bis 2002), Berlin (bis 31.12.1991) und DDR (bis 02.10.1990) und allen übrigen Abo-Ländern, eine geringe bis gar keine Nachfrage und ein riesiges Angebot, tendieren die Preise in Richtung "Materialwert", den es jedoch bei Briefmarken nicht wirklich gibt.
Besteht bei noch gültigen Briefmarken (Bund seit 2002) eine große Nachfrage und die Menge des zur Verfügung stehenden Materials übersteigt diese Nachfrage bei weitem, wird sich kein Sammlerwert entwickeln. Den "inneren Wert", also den der Nominalen, kann man als Nutzer, und nur als Nutzer, der gekauften Leistung (55 Eurocent für einen Brief) erzielen. Möchte man solche Marken verkaufen, wird man 90 % bis 95 %, bei krummen Nominalen teils viel weniger, des gültigen Werts erzielen. Werden auch diese Marken irgendwann außer Kurs gesetzt, werden auch sie aufgrund überwiegend sehr hoher Auflagen wertlos sein - und das, obwohl die Kataloge anderes behaupten.
Gibt es ein zwar ausreichendes Angebot (z.B. Posthornsatz) und eine größere Nachfrage, die jedoch aufgrund des Preises für viele Interessenten nicht oder nur allmählich realisierbar ist, wird sich der Preis von einem in "besseren" Zeiten entstandenen hohen Niveau wieder auf ein realistisches, aktuelles reduzieren. Ist dann ein Preis erreicht, der die Nachfrage ansteigen läßt, wird sich auch der Preis wieder nach oben orientieren.
Eine hohe Auflage und eine plötzliche unnatürlich große Nachfrage und "explodierende" Preise lassen eine künstlich angeheizte Spekulation vermuten. Finger weg, hier läuft ein "legaler" Betrugsversuch!
Hohe Auflagen werden durch Spezialitäten relativiert. Hat z.B. eine Marke eine Auflage von 5 Mio. Stück und wurde mit 4 Formnummern in je 100er-Bögen gedruckt, bedeutet dies, daß jede Formnummer (1, 2, 3 oder 4) nur alle 400 Marken einmal vorkommt, also 12.500 mal. Postfrisch, gestempelt, auf Brief oder von der Marke abgetrennt und vernichtet!
Ohne Bedeutung sind (hohe) Auflagen (z.B. von Berlin), die überwiegend als Standardmarken postfrisch, ersttags-, versandstellen- oder bundgestempelt gesammelt werden. Das ist wertlose Massenware.
Anders jedoch Marken mit aussagekräftigem Bogenrand, postfrisch oder in ideal, also zentrisch berlin- und vollgestempelter Erhaltung, oder auch als Briefe mit Mehrfachfrankaturen aus dem normalen Postgebrauch. Hier sind Gesamtauflagen uninteressant, weil sie so kaum zu finden sind.
Eine geringe Auflage und eine geringe Nachfrage bedeuten zwangsläufig auch eine geringe Bewertung. Dort wird sich eine Erhöhung der Nachfrage jedoch sofort auf den Preis auswirken. Beispiel Saarland MiNr. 292 (Rotes Kreuz), Auflage 130.000 Stück, postfrisch € 34,--, gestempelt € 80,--. Dagegen Bund MiNr. 120, Auflage 4 Mio. (mehr als 30 mal so viel), postfrisch € 100,--, gestempelt € 140,--. Steigt die Nachfrage nach der Saar-Marke, wird der Preis ansteigen, während beim Bund außergewöhnliches passieren müßte, um den Preis ansteigen zu lassen.
Steht einem geringen Angebot eine hohe Nachfrage gegenüber, ein Zustand, von dem jeder Sammler, der im Besitz solcher Marken ist, träumt, werden die Preise spontan ansteigen oder gar explodieren.
Alles, bis auf ein paar mögliche Auswüchse, ist also logisch nachvollziehbar. Der Briefmarken-Sammler wird Enttäuschungen vermeiden, wenn er die Verhältnisse und Relationen kennt und, vor allem auch anwendet. Mit Vermutungen, Hoffnungen und Träumen genau so wie auf Werbeaussagen oder Sonderangebote zu setzen und vor allem dem Glauben an die Katalogpreise "geht's in die Hose".
Man kann Seltenes auch heute noch äußerst günstig erstehen - wenn man es vor allen anderen als selten erkennt. Und vieles ist noch nicht entdeckt, fristet noch ein unbeachtetes Dasein.
Der Schlüssel ist Realitätssinn, Wachsamkeit, Denken und Wissen!